Vermögensverwalter Bert Flossbach sieht den Dax in zehn Jahren über der Marke von 20.000 Punkten
Vermögensverwalter Bert Flossbach
„In zehn Jahren steht der Dax über der Marke von 20.000 Punkten“
Der Fondsmanager prophezeit dem Aktienmarkt langfristig eine rosige Zukunft, Turbulenzen zum Trotz
– und steigert die Aktienquote seiner Investments.
Köln. In diesem Jahr feiert der unabhängige Vermögensverwalter Flossbach von Storch sein 20-jähriges Firmenbestehen. Zeit also für Bert Flossbach, Jahrgang 1961, als einer der Gründungsväterneben seinem Freund Kurt von Storch nach zwei Jahrzehnten auf die Anfänge des Unternehmenszurückzublicken.
„Wir sind mit der Mission an den Start gegangen, Anlegern zu helfen, ihr Geld langfristig vernünftig anzulegen“, sagt der Geldmanager im Gespräch mit dem Handelsblatt in der Zentrale im 26. Stockwerk des „Triangle“-Hochhauses im Kölner Stadtteil Deutz. Auch wenn es gegenwärtig turbulent zugeht an den globalen Wertpapierbörsen: Auf lange Sicht gibt es für die Anlageprofis vom Rhein keine vielversprechende Alternative zur Aktie. „Seit dem Sommer haben wir die Aktienquote in unserem Multiple-Opportunities-Fonds von 66 auf 72 Prozent erhöht. Langfristig sehen wir wenig Alternativen zu Aktien“, sagt Flossbach, der über Portfoliomanagementkonzepte für Privatanleger promovierte. Im Moment sei viel Negatives in den Kursen eingepreist. Aus der Zentrale des 103 Meter hohen Wolkenkratzers schaut er auf den direkt gegenüberstehenden Kölner Dom auf der anderen Rheinseite. Dies mahne ihn immer wieder zu Demut und rufe in Erinnerung, dass „wir alle nur kleine Räder im großen Triebwerk der Finanzwelt sind“.
Und Flossbach zeigt Mut. Für das nächste Jahrzehnt sagt er rosige Zeiten für Aktien voraus. „In zehn Jahren steht der Dax über der Marke von 20.000 Punkten, da bin ich mir relativ sicher. Fast die Hälfte des Anstiegs resultiert dabei allein aus den Dividenden“, urteilt der Mann, der lange Jahre für die Matuschka-Gruppe sowie für die wohl bekannteste und teilweise sicherlich berüchtigte US-Wall-Street-Bank Goldman Sachs gearbeitet hat. Ein Stück Wall Street hängt auch an Flossbachs Wänden,wo Gemälde des Malers Jens Bommert, die das New Yorker Börsenparkett darstellen, zu sehen sind.
Die Anleger jedenfalls haben die Ideen des größten unabhängigen deutschen Fondshauses bisher honoriert. Immerhin verwaltet die Gesellschaft heute rund 40 Milliarden Euro von vermögenden Familien, institutionellen Investoren sowie von Millionen von Fondssparern, die dem Geldverwalter ihre Altersvorsorge anvertrauen. „Wir haben ‚Skin in the Game‘“, beschreibt Flossbach seine Motivation. „Das Geld unserer Familien steckt in den Fonds, das unserer Mitarbeiter, Freunde und Verwandten auch. Wir sitzen also im selben Boot wie unsere Investoren.“
Durch die jüngsten Kurseinbrüche hat sich für den analytischen Querdenker das Verhältnis von Chance zu Risiko deutlich verbessert. „Ich bin optimistisch für das Anlagejahr 2019“, meint er, obwohl die Börsenbilanz für 2018 schlecht ausfällt. Der deutsche Leitindex Dax sackte nach Weihnachten auf den tiefsten Stand seit über zwei Jahren ab. Vorausgegangen war eine wilde Berg- und Talfahrt an den US-Börsen. Unter dem Strich bleibt 2018 für den Dax ein dickes Minus von 18,3 Prozent.
Im Portfolio: Google, Nestlé, BMW
Es ist das erste Mal seit 2011, dass das wichtigste deutsche Börsenbarometer kein Plus macht. Deraus verschiedenen Anlageklassen gemischte Multiple-Opportunities-Fonds schnitt mit minus 4,7 Prozent deutlich besser ab. Zu den größten Aktienpositionen in dem Flaggschiff-Fonds, der fast für die Hälfte des gesamten Anlage-volumens von Flossbach von Storch steht, zählen der Nahrungsmittelkonzern Nestlé, die Holding Berkshire Hathaway von Warren Buffett und der Tabakkonzern Philip Morris International. Die Google-Mutter Alphabet ist ebenso vertreten wie die Autobauer Daimler und BMW. Außerdemfindet der Fondslenker den Chemie-konzern BASF nach den jüngsten massiven Kursrückschlägen attraktiv. Die Aktie macht jetzt zwei Prozent des Fondsvermögens aus.
Für ausgewählte europäische Aktien macht sich auch Ulrich Stephan stark, der Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank: „Sie gehören für mich auch 2019 ins Portfolio.“ Den deutschen Aktienmarkt schließt Stephan mit ein. Eine Konzentration auf den Dax empfiehlt er allerdings nicht: Der deutsche Leitindex reagiere aufgrund seiner zyklischen Ausrichtung und des hohen Anteils an Autoaktien sensibel auf konjunkturelle Entwicklungen. Zudem umfasse der Index nur 30 Werte. „Das macht ihn schwankungsanfällig“, betont der Marktprofi. In Europa reizen ihn vor allem Aktien aus den Sektoren Grundstoffe, Bauindustrie und Werkstoffe, Finanzdienstleistungen sowie Öl und Gas.
Familienkonzerne gefragt
Eine gewisse Last der Verantwortung etwa für die Milliarden, die Pensionsfonds und damit in letzter Konsequenz künftige Rentner bei ihm angelegt haben, kann der Geldmanager nicht leugnen. Außerdem hegt sein Team Sympathien für Aktien von Unternehmen, „in denen Familien als Großaktionäre ein funktionierendes Korrektiv zum Management bilden“. Das führt gleich weiter zu einem Sicherungselement in der Anlagepolitik. Nicht nur für Flossbach besitzen die Dividenden eine hohe Bedeutung, wenn es um die Rendite von Aktien geht. Die Analysten der DZ Bank sind der gleichen Meinung. Ausschüttungen würden in Abschwungzeiten oft weniger stark gekürzt, während die Gewinne der Unternehmen teils sehr deutlich einbrechen würden. Die Dividenden zeigten sich historisch somit erheblich stabiler als die Gewinne, heißt es in der Analyse der DZ Bank. Eine gute, kontinuierliche Dividendenrendite macht laut DZ Bank „Dividendenaristokraten“ aus, etwa den Versicherer Allianz, den Energiekonzern Royal Dutch Shell sowie den Telekommunikationswert AT&T.
Die Gefahr von Kursrückschlägen wegen steigender Zinsen sind für Flossbach auch auf lange Sicht kein Thema. „Die Zinsen bleiben für immer niedrig oder so lange, bis das Schuldenproblem gelöst ist. An dieser Prognose halte ich fest. Eine Entschuldung kann nur über negative Realzinsen gelingen, so wie in der Finanzrepression der 40er- und 50er-Jahre“, meint der Vermögensverwalter. Die US-Notenbank werde, wenn überhaupt, noch zwei kleine Zinserhöhungen wagen, die Europäische Zentralbank (EZB) gar keine – solange das Schuldenproblem nicht gelöst ist. Denn eine Zinswende der EZB hieße für einige Mitgliedstaaten, „das Spiel ist vorbei, ‚Game over‘“.
Dagegen dürfte die Fiskalpolitik eine zunehmend stärkere Rolle spielen. „Die Regierungen werden sich das Wohlwollen der Wähler erkaufen, nicht zuletzt aus Angst vor den Populisten. Steuersenkungen, Investitionsprogramme und Subventionen lassen sich aber nur mit Tiefzinsen finanzieren“, glaubt Flossbach.
· Artikel aus dem Handelsblatt von: Peter Köhler Robert Landgraf Datum: 01.01.2019